Im zivilgerichtlichen bzw. arbeitsgerichtlichen Verfahren besteht der Grundsatz der mündlichen Verhandlung. Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen, etwa bei einer Entscheidung, wenn die beklagte Partei nicht erscheint; dem sogenannten Versäumnisurteil. Auch bei einer einstweiligen Verfügung, wo es ja schnell gehen muss, kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden; sogenannte Beschlussverfügung. Dies bietet sich vor allem da an, wo es weniger auf tatsächliche Umstände, als auf Rechtsfragen ankommt. Dort, wo man gerade auch Reaktionen von Zeugen oder Parteien auf gerichtliche Hinweise oder eigene Ausführungen hin unbedingt direkt wahrnehmen will, wird man um eine Präsenz vor Ort im Gerichtssaal nicht herumkommen.
Hierfür ebenfalls geeignet scheint eine Verfahrensnorm, die seit dem Jahr 2002 ein recht stiefmütterliches Dasein fristet, jetzt aber erheblich an Bedeutung gewinnen dürfte: § 128a Zivilprozessordnung (ZPO). Hiernach kann das Gericht mit den Beteiligten in Bild und Ton verhandeln, ohne dass diese im Sitzungssaal anwesend sein müssen. Kurz gesagt eine Verhandlung im Rahmen einer Videokonferenz.
Konkret heißt es dort:
§ 128a
Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung
(1) 1Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. 2Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.
(2) 1Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. 2Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. 3Ist Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen nach Absatz 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.
(3) 1Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet. 2Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar.
Vom Gesetzgeber ursprünglich zur Verringerung von Reiseaufwand gedacht, wurde dieses Jahr an verschiedenen deutschen Gerichten aufgrund der Corona-Pandemie von der Möglichkeit des § 128a ZPO verstärkt Gebrauch gemacht. Die Erfahrungen werden zeigen, ob diese Möglichkeit dort an seine Grenzen stößt, wo es auf die direkte Wahrnehmung im Gerichtssaal ankommt. Allerdings müssten die Gerichte auch erst einmal entsprechend ausgestattet sein bzw. werden.
Viele Fragen sind auch noch ungeklärt. Was wohl gesihcert ist ist, dass der Rechtsanwalt bei Verfahren mit Anwaltszwang auch die Robe tragen muss. Was aber passiert insbesondere dann, wenn es technische Probleme gibt? Wann ist in einer solchen Situation ein Versäumnisurteil zu erlassen? Wer darf sich wo – einer im Saal, einer auswärts per Video – aufhalten? usw.
Insgesamt wird man sagen können, dass vieles in der Entwicklung ist, aber Corona dieser Vorschrift wohl zu spätem Ruhm verhelfen könnte.
Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael