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Benachteiligung

Arbeitsrecht – Benachteiligung durch lange Kündigungsfrist (BAG, Urt. v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16)

By Arbeitsrecht

Die Kündigungsfristen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind oftmals im Arbeitsvertrag oder Tarifverträgen geregelt. § 622 BGB legt die gesetzlichen Kündigungsfristen fest, die durch Tarifvertrag auch verkürzt werden können. Durch einen Arbeitsvertrag darf nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. In § 622 BGB heisst es insoweit:

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6. 15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7. 20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Grundsätzlich sollte man meinen, dass, je länger die Kündigungsfrist ist, dies auch für den Arbeitnehmer am günstigsten wäre. Eine solche Verlängerung der Kündigungsfrist kann allerdings auch zu einer Benachteiligung des Arbeitnehmers führen, so dass dieser dann hieran nicht mehr gebunden wäre. Denn letztlich führt eine sehr lange Kündigungsfrist auch dazu, z.B. nicht flexibel auf ein attraktives Jobangebot reagieren zu können.

Aktuell hatte das Bundesarbeitsgericht über einen Fall zu entscheiden, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer Zusatzvereinbarung festlegten, dass sich das Gehalt von monatlich 1.400 € auf 2.400 € erhöhen sollte, dafür aber die Kündigungsfrist für beide Seiten auf 3 Jahre zum Monatsende verlängert (BAG, Urt. v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16). Für zunächst 3 Jahre sollte auch das Gehalt unverändert bleiben. Nachdem der Arbeitnehmer vorzeitig kündigte, klagte ausnahmsweise der Arbeitgeber auf Fortsetzung der Beschäftigung.

Das BAG wies die Klage ab. Die vorliegende Bindungsdauer durch die 3-jährige Kündigungsfrist benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen. Nach Abwägung aller Umstände sei dies eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit. Die Gehaltserhöhung – zumal langfristig eingefroren – gleiche das nicht aus.

In der Pressemitteilung des BAG heisst es u.a.:

„Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist benachteiligt den Beklagten im Einzelfall entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Das Landesarbeitsgericht hat hier ohne Rechtsfehler eine solche unausgewogene Gestaltung trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist bejaht. Der Nachteil für den Beklagten wurde nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfror“

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Benachteiligung bei Wochenarbeitszeit (BAG, Urt. v. 26.1.2017 – 8 AZR 736/15)

By Arbeitsrecht

Wer aus einem der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Gründen, etwa wegen einer Behinderung, benachteiligt wird, kann gemäß § 15 AGG eine Entschädigung verlangen. Wegen der Schwierigkeit, eine solche Benachteiligung zu beweisen, hat der Gesetzgeber in § 22 AGG bestimmt, dass es genügt, dass derjenige, der sich auf die Benachteiligung beruft, Indizien für die Benachteiligung beweist. Können diese Indizien bewiesen werden, trägt die andere Partei die volle Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung vorliegt.

In einem aktuellen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, wann ausreichend Indizien für eine Benachteiligung nach § 22 AGG vorliegen, wenn ein schwerbehinderter Kurierfahrer in Teilzeit nicht mit seinem Wunsch nach einer Erhöhung der Wochenstundenzahl berücksichtigt wird (BAG, Urt. v. 26.1.2017 – 8 AZR 736/15). Bei dem beklagten Arbeitgeber arbeiteten mehrere Kurierfahrer in Teilzeit. Im Jahr 2013 teilte der Arbeitgeber ein höheres Arbeitsvolumen auf die Kurierfahrer auf, berücksichtigte jedoch nicht den Kläger, der bereits mehrfach um eine Erhöhung der Wochenstundenzahl gebeten hatte. Der Kläger begehrte u.a. einen Schadensersatz nach § 15 AGG.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) sprach zumindest Schadensersatz zu. Das BAG hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das LAG zurück. Das BAG begründete dies damit, dass Indizien vorliegen müssten, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen dass die Schwerbehinderung ursächlich für die Benachteiligung war. Nur die Möglichkeit sei nicht ausreichend.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael