Wenn ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen werden soll, wird nicht selten vom neuen Arbeitgeber erwartet, dass eine Probearbeit geleistet wird. Der Schwerpunkt weniger auf einer Tätigkeit des Bewerbers als auf einer Betriebsführung, wird dies auch gern mal als „Kennenlern-Praktikum“ bezeichnet. Neben arbeitsrechtlichen Problematiken – Tätigkeit bei Fremd-/Konkurrenzunternehmen – stellt sich auch immer die Frage nach dem Versicherungsschutz.
Für die Frage der Probearbeit hatte unter anderem das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt im Jahr 2018 entschieden, dass auch eine unentgeltliche Probearbeit versichert ist, wenn objektiv zu dieser Zeit und an diesem Ort wird weniger Arbeit verrichtet wird und der Unternehmer diesbezüglich ein konkludent vereinbartes Weisungsrecht hat. Das private Interesse an der Erlangung des Arbeitsplatzes sei unerheblich (LSG LSA, Urt. v. 14.12.2017 – L 6 U 82/15).
In einer aktuellen Entscheidung hatte das Bundessozialgericht darüber zu entscheiden, ob bei einem eintägigen, unentgeltlichen „Kennenlern-Praktikum“ ein Versicherungsschutz in der Unfallversicherung besteht (BSG, Urt. v. 31.03.2022 – B 2 U 13/20 R). Der arbeitssuchenden Klägerin wurde am Tag des „Praktikums“ verschiedene Teile des Unternehmens gezeigt und teilweise fand auch ein fachlicher Austausch statt. Hierbei stürzte die Klägerin und brach sich den Arm. Die Klägerin forderte Leistungen von der Berufsgenossenschaft, was diese ablehnte.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das BSG gab der Klage statt. Die Beklagte Berufsgenossenschaft hatte ausnahmsweise auch eine Unternehmensbesichtigung gemäß ihrer Satzung versichert. Unerheblich sei, dass die Klägerin ein eigenes Interesse am Kennenlernen des zukünftigen potentiellen Arbeitgebers gehabt habe. Der Unternehmer soll umfassend von Haftungsrisiken befreit werden, die durch eine Besichtigung entstehen können.
Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael