Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) hat im Arbeitsrecht eine hohe Beweiswirkung. Sie dient als wichtigstes Beweismittel dafür, dass ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat. Ordentlich ausgestellte AU-Bescheinigungen können normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erbringen, und der Arbeitgeber kann diese nur durch konkrete Umstände erschüttern, die ernsthafte Zweifel an der Erkrankung begründen. In einer Reihe von Entscheidungen hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der Beweiswert einer solchen AU erschüttert sein kann, wenn etwa das Ende einer Kündigungsfrist und Dauer der Krankschreibung zusammenfallen. Offen blieb,wie die Fachgerichte diese Vorgaben anwenden würden.
Nunmehr gab es Gelegenheit für das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 07.05.2024 – 5 Sa 98/23). In seiner Entscheidung vom 07.05.2024 (5 Sa 98/23) ging es darum, dass der Kläger unmittelbar nach seiner Kündigung eine AU-Bescheinigung vorlegte, die genau die Kündigungsfrist abdeckte. Das Gericht entschied, dass der Beweiswert der Bescheinigungen in solchen Fällen regelmäßig erschüttert sei. Es besteht der Verdacht, dass die AU-Bescheinigungen aus anderen Gründen als tatsächlicher Arbeitsunfähigkeit vorgelegt worden waren.
Da der Beweiswert der AU-Bescheinigungen erschüttert war, musste der Kläger detailliert darlegen und beweisen, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorlagen, wie diese seine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigten und welche ärztlichen Maßnahmen ergriffen wurden. Der Kläger konnte diese Anforderungen nicht erfüllen, da er keine konkreten gesundheitlichen Einschränkungen nachweisen konnte und die verschriebenen Medikamente auch nicht eingenommen hatte. Daher wurde seine Klage auf Entgeltfortzahlung abgewiesen.
Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael