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Kein Homeoffice statt Kündigung (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.3.2021 – 4 Sa 1243/20)

By Arbeitsrecht

Grundsätzlich bestimmt der Arbeitgeber in Bezug auf den Betrieb, wie dieser gestaltet ist und an welchem Ort sich der Betriebssitz befindet. Damit wird zunächst auch der Arbeitsort festgelegt. Im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung zur Änderug dieser Arbeitsbedingungen kann es zu einer Kündigung oder Änderungskündigung kommen. Spätestens im Rahmen der Interessenabwägung würden dann auch mögliche mildere Mittel des Arbeitgebers überprüft werden.

In einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg war darüber zu entscheiden, ob Home-Office ein milderes Mittel sein kann (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.03.2021 – 4 Sa 1243/20). In dem Verfahren hatte der Arbeitgeber den Arbeitsort von Berlin nach Wuppertal verlagert und eine Änderungskündigung ausgesprochen, in der der Klägerin die weitere Tätigkeit in Wuppertal angeboten wurde. Hiergegen klagte die Arbeitnehmerin mit dem Argument, dass sie ihre Tätigkeiten auch von zu Hause hätte erbringen können, da die Struktur bei der beklagten Arbeitgeberin hierfür ausreichend digitalisiert sei.

Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage noch statt und sah die Möglichkeit des Home-Office als ausreichend milderes Mittel an. Das Landesarbeitsgericht sah dies anders und wies die Klage ab. Bei der Frage einer Umstrukturierung handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die nur auf Willkür hin überprüfbar sei. Die Arbeitgeberin habe nicht nur bestimmte Änderungen in der Arbeitsstruktur vorgenommen, sondern den gesamten Geschäftsbetrieb verlagert und in Wuppertal gebündelt. Damit sei der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen. In einem ähnlichen Verfahren hatte das Arbeitsgericht Köln eine Klage ebenfalls abgewiesen, die sich auf eine Tätigkeit im Home-Office als milderes Mittel bei einer Kündigung berufen hatte (ArbG Köln, Urt. v. 20.05.221 – 8 Ca 7667/20).

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael, LL.M.oec

Teilkündigung Home-Office rechtlich zulässig (LAG Hamm, Urt. v. 16.03.2023 – 18 Sa 832/22)

By Arbeitsrecht

Grundsätzlich ist die Arbeitsleistung an dem Arbeitsort zu erbringen, der vertraglich festgelegt ist. Gibt es mehrere Arbeitsorte, kann der Arbeitgeber unter Berücksichtigung billigen Ermessens gemäß § 106 GewO den Arbeitsort festlegen. Besondere Situationen, wie etwa die Corona-Krise, können zeitweilig einen gesetzlichen Anspruch auf einen anderen Arbeitsort, wie etwa das Home-Office, mit sich bringen. Grundsätzlich aber müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertraglich darauf verständigen, dass die Arbeitsleistung ganz oder teilweise im Home-Office erbracht wird.

Unlängst hatte sich das Landesarbeitsgericht Hamm mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Kündigungsrecht in einer Zusatzvereinbarung „Homeoffice“ angemessen sei (LAG Hamm, Urt. v. 16.03.2023 – 18 Sa 832/22). In dem Verfahren hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag darauf verständigt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit im Home-Office erbringen kann. In der Vereinbarung war auch geregelt, dass mit einer Frist von einem Monat beide Seiten die Zusatzvereinbarung kündigen können. Als der Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machte, klagte der Arbeitnehmer dagegen.

Das Arbeitsgericht Rheine gab der Klage statt. Das LAG Hamm hob diese Entscheidung auf und wies die Klage ab. Die Vereinbarung des Teilkündigungsrechts (Kündigung der Zusatzvereinbarung) gäbe keine Anhaltspunkte für Unbilligkeitsaspekte. Im Rahmen des § 106 GewO müsse der Arbeitgeber ohnehin immer auch Belange des Arbeitnehmers berücksichtigen. Dieses, dort festgelegte, billige Ermessen schütze den Arbeitnehmer ausreichend.

Autor: Rechtsanwalt Tobia Michael, LL.M.oec

Arbeitszeiterfassung verpflichtend (BAG, Beschl.v.13.09.2022 – 1 ABR 22/21)

By Arbeitsrecht

Die Frage der Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland gesetzlich nicht festgelegt. Zumindest dort, wo ein Betriebsrat besteht, gibt es gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitspracherecht, wenn eine Zeiterfassung eingeführt werden soll; …“ Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“.

Anlass für ein aktuelles Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht war der Streit zwischen einem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, ob der Betriebsrat nur dann zu beteiligen ist, wenn der Arbeitgeber ein Zeiterfassungssystem einführt, oder ob der Betriebsrat ein solches Zeiterfassungssystem sogar selbst einfordern kann (BAG, Beschl. v. 13.09.2022 – 1 ABR 22/21). Ein solches Initiativrecht war umstritten; die Rechtsprechung dementsprechend uneinheitlich. Nach der „Stechuhr-Entscheidung“ des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. 14.05.2019 – C-55/19) lag es jedenfalls nahe, dass eine solche Pflicht des Arbeitgebers auch vom Betriebsrat durchgesetzt werden kann.

In dem aktuellen Verfahren versagte das BAG dem Betriebsrat zwar das Initiativrecht. Allerdings nur deswegen, weil es das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) mit § 3 Nr.1 als ausreichende Grundlage für eine Verpflichtung des Arbeitgebers ansieht, die Arbeitszeit zu erfassen. Dort heißt es:

  • 3 Grundpflichten des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

  1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie
  2. Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

Mit dieser Entscheidung kommt das Bundesarbeitsgericht dem Gesetzgeber in Bezug auf eine Regelung zur Arbeitszeiterfassung zuvor und verpflichtet zukünftig jeden Arbeitgeber zur Zeiterfassung. Derzeit liegt die Entscheidung des BAG nur als Pressemitteilung vor. Mit Spannung werden die Entscheidungsgründe erwartet, aus denen sich möglicherweise noch weitere Vorgaben für die Arbeitszeiterfassung ergeben.

Auswirken wird die Entscheidung jedenfalls nicht nur in Bezug auf die Gestaltung der Arbeitszeit, sondern wahrscheinlich auch im Hinblick auf die Geltendmachung von Überstunden. Insoweit war und ist bislang der Angestellte in der Pflicht, diese konkret zeitlich und inhaltlich zu benennen und zu beweisen. Dies dürfte zukünftig mit der Arbeitszeiterfassung einfacher werden.

 

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Blutgerinnungsstörung hindert Polizeidienst (VG Koblenz, Beschl. v. 30.08.2022 – 5 L 797/22)

By Arbeitsrecht

Wer als Polizeianwärter in den Polizeidienst übernommen werden möchte, muss neben der charakterlichen Eignung auch über die notwendige körperliche Eignung verfügen. Dieser Eignung können Krankheiten entgegenstehen.

In einem aktuellen Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Koblenz, hatte das Gericht darüber zu entscheiden, ob eine Blutgerinnungsstörung der Eignung für den Polizeidienst entgegensteht (VG Koblenz, Beschl. v. 30.08.2022 – 5 L 797/22). Die Antragstellerin hatte sich für den Bildungsgang „Polizeidienst und Verwaltung“ an der höheren Berufsfachschule für Polizeidienst beworben. Die Bewerberin litt an einer Blutgerinnungsstörung mit einem fünf- bis zehnfach erhöhten Thromboserisiko. Die Berufsschule lehnte die Bewerberin ab. Diese sei aufgrund der Gerinnungsstörung polizeidienstuntauglich.

Die Antragstellerin versuchte, die Entscheidung im Eilverfahren aufheben zu lassen. Das Verwaltungsgericht lehnte dies ab und begründete die Entscheidung vor allem mit der Polizeidienstvorschrift zur ärztlichen Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit. Darin sei festgelegt, dass eine Krankheit, wie sie bei der Antragstellerin vorliege, die Polizeidiensttauglichkeit grundsätzlich ausschließe. Die hohe körperliche Beanspruchung im Polizeidienst verlange eine jederzeit gewährleistete, uneingeschränkte körperliche Einsetzbarkeit. Dies sei mit der Erkrankung der Antragstellerin nicht gegeben.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Neuerungen nach dem Nachweisgesetz (und weiteren Gesetzen)

By Arbeitsrecht

Gesetzänderungen bei Nachweisgesetz NachwG), Arbeitnehmerüberlassung (AÜG), Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), Berufsbildungsgesetzes (BBiG) sowie Gewerbeordnung (GewO)

Bundestagsdrucksache 20/1636 in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152

Im Zuge der Umsetzung der obigen Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber kurz vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist noch einige Änderungen im Nachweisgesetz und weiteren Gesetzen beschlossen. Den wirtschaftlichen Mehraufwand sieht der Gesetzgeber eher gering. Seiner Schätzung nach erfüllen bereits 80-90% der Arbeitgeber die Pflichten (eher umgekehrt) und der Zeitaufwand für die Anpassungen wird mit 3 Minuten kalkuliert! Das dürfte eher nicht realistisch sein.

Die wesentlichen Änderungen sind nachfolgend überblicksartig aufgeführt.

Änderungen nach dem Nachweisgesetz ab 01.08.2022

 

Frist zur Niederlegung und Aushändigung der Vertragsbedingungen

       § 2 Satz 1 NachwG: Schriftformerfordernis! Wird dies nicht eingehalten, droht bereits allein deswegen ein Bußgeld

  • § 2 I S.4 NachwG neu eingefügt => differenziert Fristen für die Aushändigung von Informationen
  • § 2 I S.1 NachwG
    • Niederschrift mit Informationen ist spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung auszuhändigen
      • Angaben nach Satz 2 Nummern 1, 7, 8
        • Name und Anschrift der Vertragsparteien
        • Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts
          • Vergütung von Überstunden
          • Zuschläge
          • Zulagen,
          • Prämien
          • Sonderzahlungen sowie
          • anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind sowie deren Fälligkeit und die Art der Auszahlung
        • vereinbarte Arbeitszeit
          • vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten
          • bei Schichtarbeit
            • Schichtsystem
            • Schichtrhythmus
            • Voraussetzungen für Schichtänderungen
          • Niederschrift mit Informationen ist spätestens am siebten Kalendertag nach Beginn der Arbeitsleistung auszuhändigen
            • Angaben nach Satz 2 Nummern 2, 3, 4, 5, 6, 9
              • Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
              • bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum / vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses
              • Arbeitsort / ggf. Hinweis auf freie Wahl des Arbeitsortes durch den Arbeitnehmer
              • kurze Charakterisierung / Beschreibung der zu leistenden Tätigkeit
              • sofern vereinbart die Dauer der Probezeit
              • bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
                • Erbringung der Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall
                • Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden
                • Zeitrahmen (Referenztage und Referenzstunden) für die Erbringung der Arbeitsleistung
                • die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat
              • Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
            • Niederschrift mit Informationen ist spätestens einen Monat nach Beginn der Arbeitsleistung auszuhändigen
              • Angaben nach Satz 2 Nummern 11 bis 15
                • Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
                • Etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
                • wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt: Name und Anschrift dieses Versorgungsträgers
                • Kündigungsverfahren
                  • mindestens das Schriftformerfordernis
                  • Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,
                  • Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage;
                    • Die dreiwöchige Ausschlussfrist des § 7 KSchG auch bei nicht ordnungsgemäßem Nachweis der Mitteilung der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden!
                      • Verstöße werden durch Bußgeld, nicht durch Unwirksamkeit der Kündigung sanktioniert. Keine Zulassung verspäteter Kündigungsschutzklagen
                    • Hinweis auf
                      • anwendbare Tarifverträge
                      • Betriebs- oder Dienstvereinbarungen
                      • Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen

Änderung der Vertragsbedingungen

§ 3 NachwG

    • Fristverkürzung
    • Mitteilung an den Arbeitnehmer über jede Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen
      • spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam wird
      • schriftlich (s.o.)
    • Ausnahme (keine Mitteilungspflicht) bei Änderungen von
      • auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften
      • Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen
      • Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen

 

Auslandstätigkeit

               § 2 Abs.2 NachwG

              wenn länger als vier aufeinanderfolgende Wochen Auslandstätigkeit, erweiterte Unterrichtungspflichten

anzugeben sind Land der Leistungserbringung, geplante Dauer, mit dem Aufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, voraussichtliche Rückkehr, Rückkehrbedingungen

 

Sanktionen bei Pflichtverletzungen

         § 4 I NachwG: Tatbestand

    • § 2 I S.1 eine in § 2 I S.2 genannte wesentliche Vertragsbedingung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig niederlegen
    • entgegen § 2 II, auch i.V.m. III, eine dort genannte Niederschrift nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig bereitstellen
    • entgegen § 3 S.1 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig machen
  • § 4 II NachwG: Rechtsfolge
    • Geldbuße
    • Höchstmaß: bis zu 2.000,00 €
    • Bußgeldbemessung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 17 III S.2 HS. 1 OWiG
      • wirtschaftliche Situation von kleinen und mittleren Unternehmen besonders einbeziehen
    • keine Ausnahme mehr für Aushilfen

Bereits vor der Änderung des Nachweisgesetzes wurde in der Rechtsprechung diskutiert, dass ein ungenügender Hinweis auf für das Arbeitsverhältnis geltende Normen, nicht zu Lasten des Mitarbeiters gehen sollten (z.B. einfacher (pauschaler) Verweis auf Geltung kollektivrechtlicher Normen, etwa eines Tarifvertrages mit Ausschlussfristen)

  

Übergangsbestimmungen für Beschäftigung vor dem 01.08.2022 

  • § 5 NachwG: Übergangsvorschrift
  • Bestand das Arbeitsverhältnis bereits bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vor dem 08.2022
    • Arbeitnehmer nur auf dessen Verlangen eine Niederschrift i.S.d. § 2 auszuhändigen
    • Spätestens am siebten Tag nach Zugang der Aufforderung beim Arbeitgeber => Niederschrift mit den Angaben nach § 2 I S.2 Nr. 1 bis 10 NachwG auszuhändigen
    • Niederschrift mit den übrigen Angaben nach § 2 I S.2 NachwG ist spätestens einen Monat nach Zugang der Aufforderung auszuhändigen
    • Fristbeginn: Zugang der Aufforderung
      • Enthält eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben entfällt die Pflicht

 

Änderungen bei Arbeitnehmerüberlassung ab 01.08.2022

In § 11 werden die Nachweispflichten über die Identität des Entleihers erweitert:

  • danach vor jeder Überlassung der Firmenname und Anschrift des Entleihers in Textform mitzuteilen
  • Entleiher muss bei Arbeitnehmern, die nach 6 Monaten Tätigkeit einen Abschluss des Arbeitsvertrages wünschen, innerhalb eines Monats eine begründete Antwort zukommen lassen

 

Änderungen bei Teilzeit- und Befristung ab 01.08.2022

  • Bei einer etwaigen Probezeit muss die Dauer in einem angemessenen Verhältnis zwischen Dauer der Befristung und Art der Tätigkeit stehen
  • ein befristet Beschäftigter kann nach 6 Monaten Tätigkeit den Wunsch nach einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis äußern; Arbeitgeber muss innerhalb eines Monats mit begründeter Antwort reagieren

 

Änderungen im Berufsbildungsgesetz ab 01.08.2022

In § 11 werden verschiedene Punkte neu geregelt

  • Name und Anschrift der Ausbilder sowie Auszubildenden, bei Minderjährigen zusätzlich Name und Anschrift der gesetzlichen Vertreter bezeichnet werden
  • Zahlung und Höhe der Vergütung sowie deren Zusammensetzung
  • Vergütung oder Ausgleich von Überstunden

 

Änderungen in der Gewerbeordnung ab 01.08.2022

  • 111 wird wie folgt gefasst:

Pflichtfortbildungen
(1) Ist der Arbeitgeber durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, durch Tarifvertrag oder Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine für
die Erbringung der Arbeitsleistung erforderliche Fortbildung anzubieten, dürfen dem
Arbeitnehmer die Kosten hierfür nicht auferlegt werden.
(2) Fortbildungen nach Absatz 1 sollen während der regelmäßigen Arbeitszeit
durchgeführt werden. Soweit Fortbildungen nach Absatz 1 außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt werden müssen, gelten sie als Arbeitszeit.

 

Wie kann reagiert werden?

Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen ist die 7-Tage-Frist sehr anspruchsvoll. Am besten Muster vorhalten.

Änderungen in gesondertem Zusatz zum bestehenden Arbeitsvertrag schriftlich aushändigen oder bestehenden Arbeitsvertrag neu fassen.

Betriebsbesichtigung kann versichert sein (BSG, Urt. v. 31.03.2022 – B 2 U 13/20 R)

By Arbeitsrecht

Wenn ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen werden soll, wird nicht selten vom neuen Arbeitgeber erwartet, dass eine Probearbeit geleistet wird. Der Schwerpunkt weniger auf einer Tätigkeit des Bewerbers als auf einer Betriebsführung, wird dies auch gern mal als „Kennenlern-Praktikum“ bezeichnet. Neben arbeitsrechtlichen Problematiken – Tätigkeit bei Fremd-/Konkurrenzunternehmen – stellt sich auch immer die Frage nach dem Versicherungsschutz.

Für die Frage der Probearbeit hatte unter anderem das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt im Jahr 2018 entschieden, dass auch eine unentgeltliche Probearbeit versichert ist, wenn objektiv zu dieser Zeit und an diesem Ort wird weniger Arbeit verrichtet wird und der Unternehmer diesbezüglich ein konkludent vereinbartes Weisungsrecht hat. Das private Interesse an der Erlangung des Arbeitsplatzes sei unerheblich (LSG LSA, Urt. v. 14.12.2017 – L 6 U 82/15).

In einer aktuellen Entscheidung hatte das Bundessozialgericht darüber zu entscheiden, ob bei einem eintägigen, unentgeltlichen „Kennenlern-Praktikum“ ein Versicherungsschutz in der Unfallversicherung besteht (BSG, Urt. v. 31.03.2022 – B 2 U 13/20 R). Der arbeitssuchenden Klägerin wurde am Tag des „Praktikums“ verschiedene Teile des Unternehmens gezeigt und teilweise fand auch ein fachlicher Austausch statt. Hierbei stürzte die Klägerin und brach sich den Arm. Die Klägerin forderte Leistungen von der Berufsgenossenschaft, was diese ablehnte.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das BSG gab der Klage statt. Die Beklagte Berufsgenossenschaft hatte ausnahmsweise auch eine Unternehmensbesichtigung gemäß ihrer Satzung versichert. Unerheblich sei, dass die Klägerin ein eigenes Interesse am Kennenlernen des zukünftigen potentiellen Arbeitgebers gehabt habe. Der Unternehmer soll umfassend von Haftungsrisiken befreit werden, die durch eine Besichtigung entstehen können.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Urlaubskürzung bei Kurzarbeit (BAG, Urt. v. 30.11.2021 – 9 AZR 225/21)

By Arbeitsrecht

In Zeiten der Pandemie wurde vielfach Kurzarbeit in den Betrieben eingeführt. Hierzu wurde, wenn nicht im Arbeits- oder Tarifvertrag oder durch Betriebsvereinbarung die Möglichkeit der Anordnung von Kurzarbeit vereinbart war, häufig eine separate Vereinbarung abgeschlossen. Dies konnte auch Kurzarbeit Null bedeuten, wonach keine Arbeitsleistung zu erbringen ist und der Arbeitslohn vollständig auf das Kurzarbeitergeld reduziert ist. Für die arbeitsrechtliche Praxis stellte sich die Frage, ob bei Kurzarbeit null nicht auch der Urlaubsanspruch vermindert ist. Denn letztlich entsteht der Urlaubsanspruch auch für Zeiten der Krankheit oder Elternzeit.

In einem aktuellen Verfahren hatte das Bundesarbeitsgericht diese Frage der Kürzung des Urlaubsanspruchs zu entscheiden (BAG, Urt. v. 30.11.2021 – 9 AZR 225/21). Die Klägerin hatte in der Zeit von April bis Dezember 2020 Kurzarbeit vereinbart. Im April, Mai und Oktober war Kurzarbeit Null angeordnet. Für diese Zeit kürzte der Arbeitgeber den Urlaub anteilig.

Das BAG entschied zugunsten des Arbeitgebers und bestätigte die Vorinstanzen. Diese hatten insbesondere auf Art.7 Abs.1 der Richtlinie 2003/88/EG abgestellt. Hiernach erwerbe ein Arbeitnehmer nur für Zeiten der tatsächlichen Arbeitsleistung Urlaubsansprüche. Das BAG verwies auch auf eine Entscheidung des EuGH, in der dieser klargestellt hatte, dass die Entstehung des Urlaubsanspruchs voraussetze, dass eine Tätigkeit Erholungsurlaub notwendig mache.

In einem Parallelverfahren stellte der 9. Senat klar, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn Kurzarbeit aufgrund einer wirksamen Betriebsvereinbarung eingeführt worden sei (BSG, Urt. v. 30.11.2021 – 9 AZR 234/21).

Anmerkungen: Voraussetzung für die Kürzung des Urlaubs wird sein, dass eine wirksame Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vorliegt. Hier dürfte wieder neuer Streitstoff liegen, der vor den Arbeitsgerichten auszufechten ist.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Diskriminierung bei formal unrichtiger Stellenausschreibung (BAG, Urt. v. 25.11.2021 – 8 AZR 313/20)

By Arbeitsrecht

Bei Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann gemäß § 15 Abs.2 AGG ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung bestehen. Im Streitfall genügt es gemäß § 22 AGG für den Anspruch zunächst, dass die benachteiligte Partei lediglich die Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht war darüber zu entscheiden, ob bereits Indizien einer Diskriminierung gegeben sind, wenn die Stellenausschreibung nicht der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet wird (BAG, Urt. v. 25.11.2021 – 8 AZR 313/20). Geklagt hatte ein schwerbehinderter Jurist mit einem GdB von 50. Der beklagte Landkreis lehnte die Bewerbung ab und teilte mit, dass man sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. Der Jurist sah sich diskriminiert und klagte auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs.2 AGG.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das BAG gab hingegen dem Bewerber recht. Der beklagte Landkreis habe entgegen § 165 Satz 1 SGB IX die ausgeschriebene Stelle nicht der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet. Die Veröffentlichung des Stellenangebots lediglich über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit sei keine solche Meldung. Auch ein solcher Verstoß gegen formelle Anforderungen begründe die Vermutung aus § 22 AGG, dass eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vorliege.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Betriebsratswahl ist durchzuführen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.11.2021 – 13 TaBVGa 1534/21)

By Arbeitsrecht

Die Gründung eines Betriebsrats stößt beim Arbeitgeber selten auf Freude, wenngleich kollektive Regeln im Unternehmen Abläufe auch verbessern können. Oft wird daher bei einer Betriebsratswahl zu eher fragwürdigen Mitteln gegriffen, wenn diese verhindert werden soll. Gerichtlich lässt sich eine Betriebsratswahl im Vorhinein kaum stoppen.

In einem aktuellen Fall vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg war darüber zu entscheiden, ob der Abbruch einer Betriebsratswahl bei schwerwiegenden Verstößen möglich ist (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.11.2021 – 13 TaBVGa 1534/21). Bei dem Fahrradlieferdienst „Gorillas“ hatte sich bereits der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl gegründet. Die Unternehmensleitung sah formelle Fehler und beantragte beim Arbeitsgericht Berlin im Wege der einstweilen Verfügung, dass die Betriebsratswahl abgebrochen wird. Insbesondere sei der Wahlvorstand aufgrund von Umstrukturierungen nicht für alle Beschäftigten zuständig, die zur Wahl aufgerufen worden seien.

Das Arbeitsgericht Berlin und auch das LAG wiesen den Antrag zurück. Gerichtlich könne die Betriebsratswahl nur abgebrochen werden, wenn der Wahlvorstand bei Einleitung der Wahl offensichtlich nicht im Amt war oder die Mängel im Wahlverfahren zu einer nichtigen Wahl führen würden. Bei allen anderen Konstellationen müsse der Arbeitgeber abwarten und könne erst nach der Wahl diese anfechten.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Schwerbehindertenvertretung kann vorzeitig enden (LAG Köln, Beschl. v. 31.08.2021 – 4 TaBV 19/21)

By Arbeitsrecht

Gemäß § 177 SGB IX werden in Betrieben und Dienststellen wenigstens fünf Schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt, wird dort eine Schwerbehindertenvertretung eingerichtet. Diese besteht aus einer Vertrauensperson und mindestens einem stellvertretenden Mitglied.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Köln war nun die Frage zu klären, welches Schicksal die Schwerbehindertenvertretung hat, wenn die Zahl der Schwerbehinderten unter fünf sinkt (LAG Köln, Beschl. v. 31.08.2021 – 4 TaBV 19/21). In dem Verfahren sah die Arbeitgeberin die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung als beendet an, als der Schwellenwert von fünf schwerbehinderten Mitarbeitern unterschritten war. Hiergegen wendete sich die Vertrauensperson.

Das LAG bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und gab der Arbeitgeberin Recht. Der Grundsatz aus dem Betriebsverfassungsrecht, dass bei Absinken der Beschäftigtenzahl auch die Amtszeit des Betriebsrats ende, sei auf die Schwerbehindertenvertretung übertragbar. Hierfür spreche auch die Systematik sowie Sinn und Zweck des Gesetzes.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael