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Schwerbehinderung

Diskriminierung bei formal unrichtiger Stellenausschreibung (BAG, Urt. v. 25.11.2021 – 8 AZR 313/20)

By Arbeitsrecht

Bei Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann gemäß § 15 Abs.2 AGG ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung bestehen. Im Streitfall genügt es gemäß § 22 AGG für den Anspruch zunächst, dass die benachteiligte Partei lediglich die Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht war darüber zu entscheiden, ob bereits Indizien einer Diskriminierung gegeben sind, wenn die Stellenausschreibung nicht der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet wird (BAG, Urt. v. 25.11.2021 – 8 AZR 313/20). Geklagt hatte ein schwerbehinderter Jurist mit einem GdB von 50. Der beklagte Landkreis lehnte die Bewerbung ab und teilte mit, dass man sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. Der Jurist sah sich diskriminiert und klagte auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs.2 AGG.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das BAG gab hingegen dem Bewerber recht. Der beklagte Landkreis habe entgegen § 165 Satz 1 SGB IX die ausgeschriebene Stelle nicht der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet. Die Veröffentlichung des Stellenangebots lediglich über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit sei keine solche Meldung. Auch ein solcher Verstoß gegen formelle Anforderungen begründe die Vermutung aus § 22 AGG, dass eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vorliege.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Schwerbehindertenvertretung kann vorzeitig enden (LAG Köln, Beschl. v. 31.08.2021 – 4 TaBV 19/21)

By Arbeitsrecht

Gemäß § 177 SGB IX werden in Betrieben und Dienststellen wenigstens fünf Schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt, wird dort eine Schwerbehindertenvertretung eingerichtet. Diese besteht aus einer Vertrauensperson und mindestens einem stellvertretenden Mitglied.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Köln war nun die Frage zu klären, welches Schicksal die Schwerbehindertenvertretung hat, wenn die Zahl der Schwerbehinderten unter fünf sinkt (LAG Köln, Beschl. v. 31.08.2021 – 4 TaBV 19/21). In dem Verfahren sah die Arbeitgeberin die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung als beendet an, als der Schwellenwert von fünf schwerbehinderten Mitarbeitern unterschritten war. Hiergegen wendete sich die Vertrauensperson.

Das LAG bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und gab der Arbeitgeberin Recht. Der Grundsatz aus dem Betriebsverfassungsrecht, dass bei Absinken der Beschäftigtenzahl auch die Amtszeit des Betriebsrats ende, sei auf die Schwerbehindertenvertretung übertragbar. Hierfür spreche auch die Systematik sowie Sinn und Zweck des Gesetzes.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Schwerbehinderung muss bekannt sein (BAG, Urt. v. 17.12.2020 – 8 AZR 171/20)

By Arbeitsrecht

Gemäß § 165 SGB IX sind schwerbehinderte Menschen bei einer Stellenausschreibung durch einen öffentlichen Arbeitgeber zwingend zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Erfolgt dies nicht, gilt nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Vermutung einer Diskriminierung. Gemäß § 15 Abs.2 AGG können dann Entschädigungsansprüche bestehen.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht war darüber zu entscheiden, wie weit diese Vermutungswirkung geht (BAG, Urt. v. 17.12.2020 – 8 AZR 171/20). Der Kläger hatte sich auf eine Position eines öffentlichen Arbeitgebers beworben, ohne jedoch seine Schwerbehinderung mitzuteilen. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen. Kurz vor der Einstellung eines anderen Kandidaten teilte der Bewerber per E-Mail mit, dass er einen Grad der Behinderung von 50 habe. Der Kläger wurde trotzdem abgelehnt und der andere Kandidat eingestellt. Der Kläger verlangte sodann Schadensersatz.

Alle Instanzen und auch das BAG wiesen die Klage ab. Zum Zeitpunkt der Mitteilung der Schwerbehinderung war das Auswahlverfahren schon so weit fortgeschritten, dass die verspätete Mitteilung der Schwerbehinderung nicht mehr zu berücksichtigen war. Eine Diskriminierung wegen einer Schwerbehinderung sei daher nicht gegeben.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Kündigung trotz Schwerbehinderung (LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2020 – 5 Sa 231/20)

By Arbeitsrecht

Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 oder diesen gleichgestellte Beschäftigte sind besonders geschützt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine Kündigung ausgeschlossen ist.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf ging es um eine verhaltensbedingte Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne vorherige Abmahnung (LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2020 – 5 Sa 231/20). Der 55-jährige Kläger war seit 1981 bei der beklagten Firma beschäftigt. Dort hatte er sich in der Vergangenheit schon mehrfach beleidigend gegenüber Kollegen geäußert und dies mit seiner „Unkündbarkeit“ gerechtfertigt. Abgemahnt worden war der Kläger bislang nicht. Als der Kläger in Bezug auf türkischstämmige Mitarbeiter sich rassistisch und mit Bezug auf Gaskammern äußerte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis.

Das LAG bestätigte diese Kündigung. Das schwere Fehlverhalten mache es der Beklagten unzumutbar, den Kläger über die Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen. Die Sozialdaten des Klägers würden hieran nichts ändern.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Gleichbehandlung im Sozialplan (BAG, Urt. v. 17.11.2015 – 1 AZR 938/13)

By Arbeitsrecht

Betriebliche Entscheidungen und die Ausrichtung eines Unternehmens unterliegen nicht selten einem Wandel. Führt dies dazu, dass betriebliche Anpassungen zugleich eine Betriebsänderung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) darstellen, ist ein so genannter Interessenausgleich durchzuführen bzw. Sozialplan zu erstellen, §§ 111, 112 BetrVG. Ein Sozialplan kommt zustande, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat einigen; anderenfalls entscheiden der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit oder die Einigungsstelle am Arbeitsgericht.

Der Sozialplan soll nach dem Gesetz dem Ausgleich bzw. der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile dienen, die einem Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderung entstehen. Der Sozialplan soll dabei sowohl einen Verlust eines Arbeitsplatzes kompensieren, als auch eine Hilfe dafür sein, die Zeit bis zu einem neuen Beschäftigungsverhältnis zu überbrücken. Diese Argumentation des Bundesarbeitsgerichts führt allerdings dazu, dass in Sozialplänen auch Sonderregelungen für Arbeitnehmer, die schnell ein neues Beschäftigungsfeld befinden oder kurz vor Erreichen des Rentenalters stehen, getroffen werden können.

In einer aktuellen Entscheidung hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 17.11.2015 – 1 AZR 938/13) die Frage zu entscheiden, ob bei einer Abfindungsberechnung in einem Sozialplan für schwerbehinderte Arbeitnehmer eine andere Bemessung zulässig ist, als für alle anderen Arbeitnehmer. In der Sozialplanregelung sollten Mitarbeiter, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Schwerbehinderung eine Rente beanspruchen können, knapp 30.000 € Abfindung weniger erhalten. Trotz des Differenzierungsmerkmals der Rentennähe, sah das BAG eine unmittelbar an das Merkmal der Schwerbehinderung knüpfende Ungleichbehandlung und bestätigte die Vorinstanzen, die dem klagenden Arbeitnehmer den Differenzbetrag aus dem Sozialplan zugesprochen hatten.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael