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Arbeitsgericht

Aussetzung des Verfahrens nur ausnahmsweise (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.10.2021 – 11 Ta 1120/21)

By Arbeitsrecht

Es kann vorkommen, dass in einer Streitigkeit verschiedene Verfahren parallel laufen. So etwa, wenn gegen eine Kündigung vor dem Arbeitsgericht geklagt wird und parallel ein Strafverfahren läuft. Häufig ist auch die Konstellation von Kündigungsschutzprozess und Rechtsmitteln gegen die Entscheidung des Integrationsamtes bei der Kündigung Schwerbehinderter. In einer solchen Konstellation kann das Arbeitsgericht gemäß § 148 ZPO entscheiden, dass der Prozess über die Kündigung so lange ausgesetzt wird, bis über die andere Streitigkeit entschieden ist.

In einem aktuellen Verfahren hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg darüber zu entscheiden, ob wegen des Verdachts von Tötungsdelikten ein Kündigungsrechtsstreit ausgesetzt wird (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.10.2021 – 11 Ta 1120/21). Die Arbeitgeberin ist eine Einrichtung, die Teilhabeleistungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen anbietet. Gegen die fristlos gekündigte Klägerin liefen strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts, vier Tötungsdelikte begangen zu haben. Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Potsdam, das Kündigungsverfahren wegen der Frage der strafrechtlichen Ermittlungen zur Schuldfähigkeit auszusetzen, erhob die Arbeitgeberin sofortige Beschwerde.

Das LAG folgte der Arbeitgeberin und hob den Beschluss des Arbeitsgerichts auf. Ein Aussetzungsgrund sei nur gegeben, wenn die strafrechtlichen Ermittlungen maßgeblich für die Entscheidung des Arbeitsgerichts seien. Bei dem Vorwurf eines Tötungsdelikts wie hier fehle die Eignung für die Tätigkeit auch unabhängig davon, ob sie schuldfähig gewesen sei oder nicht. In jedem Fall sei eine weitere Zusammenarbeit mit der Mitarbeiterin weder der Arbeitgeberin noch den weiteren Beschäftigten zumutbar.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsort – Klageort bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen (EuGH, Urt.v. 14.09.2017 – C-168/16)

By Arbeitsrecht

In Zeiten fortschreitender Globalisierung und Flexibilisierung von Arbeitsplätzen stellt sich häufig die Frage, nach welchem Recht und an welchem Ort ein Rechtsstreit zu führen ist. Für bestimmte Branchen, insbesondere im Baugewerbe, sieht das Arbeitnehmer-Entsendegesetz Mindeststandards an Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer vor, die von im Ausland ansässigen Arbeitgebern in Deutschland eingesetzt werden.

Darüber hinaus regeln europäische Vorschriften wie etwa das Rom-I-Abkommen, welches Recht anzuwenden ist. Danach können zunächst Arbeitgeber und Arbeitnehmer festlegen, welches Recht Anwendung finden soll; sogenannte Rechtswahl. Entgegen einer solchen Rechtswahl kann aber dennoch, z.B. bei einer Tätigkeit in Deutschland, deutsches Recht Anwendung finden, wenn zwingende deutsche arbeitsrechtliche Schutznormen zu beachten sind oder wenn „aus der Gesamtheit der Umstände der Vertrag eine engere Verbindung“ zu Deutschland aufweist. Für den Klageort kommt es auch darauf an, ob eine wirksame Klausel zum zuständigen Gericht im Arbeitsvertrag enthalten ist; sogenannte Gerichtsstandsklausel.

Aktuell hatte der Europäische Gerichtshof darüber zu entscheiden, wo der richtige Klageort bei einem Angestellten einer Airline ist (EuGH, Urt.v. 14.09.2017 – C-168/16). Danach soll das Gericht zuständig sein, an oder von dessen Ort der Arbeitnehmer für gewöhnlich seine Arbeitspflichten erfüllt. Im Luftverkehrssektor soll dabei dem Ort der „Heimatbasis“ ein wesentliches Indiz zukommen.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Schätzung von Bonuszahlungen durch das Gericht (BAG, Urt. v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14)

By Arbeitsrecht

Wer in einem Prozess etwas geltend macht, muss in der Regel die für ihn günstigen Umstände vortragen und beweisen, damit das Gericht diese überprüfen und ihm gegebenenfalls die geltend gemachte Forderung zusprechen kann. Schwierig wird das immer dann, wenn der Kläger nur eingeschränkte Kenntnisse von den Umständen hat, die für seine Klageforderung von Belang sind. Behelfen kann sich der Kläger in diesen Fällen, in dem er das Gericht die Höhe der Forderung schätzen lässt. Allerdings muss er auch für eine Schätzung dem Gericht ausreichend Fakten an die Hand geben.

In einem aktuellen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob die Vorinstanz einen Bonus anstelle des Arbeitgebers festzusetzen hat, wenn dieser im Prozess nicht begründet hatte, weshalb der Bonus des klagenden Arbeitnehmers für das im Streit stehende Jahr auf null reduziert hatte (BAG, Urt. v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14).

Im Jahr zuvor hatte der klagende Bankangestellte noch eine erhebliche Bonuszahlung erhalten. Daher gehe es nicht zu Lasten des Klägers, wenn der beklagte Arbeitgeber zu den Bemessungsfaktoren vollständig schweigt. In diesem Falle muss sich das Gericht an dem orientieren, was die Parteien insgesamt an bestimmenden Faktoren vorgetragen haben. Dies muss das Landesarbeitsgericht, welches die Klage abgewiesen hatte, nunmehr tun.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael