Im Arbeitsverhältnis gilt bekanntermaßen der Grundsatz: ohne Arbeit kein Geld. Hiervon macht § 616 BGB eine Ausnahme für den Fall einer vorübergehenden Verhinderung. Danach bleibt der Anspruch auf den Lohn bestehen, wenn „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert war.
In § 616 BGB heißt es konkret:
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.
In diesem Zusammenhang stellt sich beispielsweise die Frage, wie es sich mit dem Lohn bei Arztbesuchen des Arbeitnehmers verhält. Nicht immer stehen genug Termine außerhalb der Arbeitszeit zur Verfügung oder die Termine sind, wie etwa zum Röntgen oder zur Blutabnahme im nüchternen Zustand, medizinisch festgelegt.
Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitnehmer gehalten, möglichst einen Arztbesuch außerhalb der Arbeitszeit zu wählen. Wird dem Arbeitnehmer ein solcher Termin aber nicht angeboten, so ist die Wahrnehmung des Termins während der Arbeitszeit notwendig und wirkt sich auf die Vergütung nicht aus (BAG, Urt. v. 29.02.1984 – 5 AZR 92/82).
In der Entscheidung des BAG v. 29.2.1984 heißt es u.a.:
Nach § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, wenn dem Arbeitnehmer die Leistung unzumutbar ist (vgl. BAG 9, 179, 182 = AP Nr. 23 zu § 616 BGB, zu 2 b der Gründe). Das kann auch bei einem Arztbesuch der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann. In diesen Fällen ist der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert.
Im Sinne dieser Rechtsprechung urteilte das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt im Jahr 2010, dass die Formulierung „medizinische Unvermeidbarkeit“ in einem Tarifvertrag auch den Fall erfasst, dass der Arbeitnehmer die Lage des Untersuchungstermins nicht beeinflussen könne (LAG LSA, Urt. v. 23.06.2010 – 5 Sa 340/09).
Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael