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Corona

Urlaubskürzung bei Kurzarbeit (BAG, Urt. v. 30.11.2021 – 9 AZR 225/21)

By Arbeitsrecht

In Zeiten der Pandemie wurde vielfach Kurzarbeit in den Betrieben eingeführt. Hierzu wurde, wenn nicht im Arbeits- oder Tarifvertrag oder durch Betriebsvereinbarung die Möglichkeit der Anordnung von Kurzarbeit vereinbart war, häufig eine separate Vereinbarung abgeschlossen. Dies konnte auch Kurzarbeit Null bedeuten, wonach keine Arbeitsleistung zu erbringen ist und der Arbeitslohn vollständig auf das Kurzarbeitergeld reduziert ist. Für die arbeitsrechtliche Praxis stellte sich die Frage, ob bei Kurzarbeit null nicht auch der Urlaubsanspruch vermindert ist. Denn letztlich entsteht der Urlaubsanspruch auch für Zeiten der Krankheit oder Elternzeit.

In einem aktuellen Verfahren hatte das Bundesarbeitsgericht diese Frage der Kürzung des Urlaubsanspruchs zu entscheiden (BAG, Urt. v. 30.11.2021 – 9 AZR 225/21). Die Klägerin hatte in der Zeit von April bis Dezember 2020 Kurzarbeit vereinbart. Im April, Mai und Oktober war Kurzarbeit Null angeordnet. Für diese Zeit kürzte der Arbeitgeber den Urlaub anteilig.

Das BAG entschied zugunsten des Arbeitgebers und bestätigte die Vorinstanzen. Diese hatten insbesondere auf Art.7 Abs.1 der Richtlinie 2003/88/EG abgestellt. Hiernach erwerbe ein Arbeitnehmer nur für Zeiten der tatsächlichen Arbeitsleistung Urlaubsansprüche. Das BAG verwies auch auf eine Entscheidung des EuGH, in der dieser klargestellt hatte, dass die Entstehung des Urlaubsanspruchs voraussetze, dass eine Tätigkeit Erholungsurlaub notwendig mache.

In einem Parallelverfahren stellte der 9. Senat klar, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn Kurzarbeit aufgrund einer wirksamen Betriebsvereinbarung eingeführt worden sei (BSG, Urt. v. 30.11.2021 – 9 AZR 234/21).

Anmerkungen: Voraussetzung für die Kürzung des Urlaubs wird sein, dass eine wirksame Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vorliegt. Hier dürfte wieder neuer Streitstoff liegen, der vor den Arbeitsgerichten auszufechten ist.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Ohne Maske auch bei ärztlichem Attest problematisch (ArbG Siegburg, Urt. v. 18.08.2021 – 4 Ca 2301/20; ArbG Cottbus, Urt. v. 17.06.2021 – 11 Ca 10390/20)

By Arbeitsrecht

Im Zuge der Corona-Pandemie haben sich die Arbeitsgerichte auch mit der Frage zu beschäftigen, was passiert, wenn Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen während der Arbeitszeit keine Maske tragen können.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Siegburg ging es um die Forderung, wegen ärztlicher Befreiung von der Maskenpflicht trotzdem Gehalt bezahlt zu bekommen und einen Arbeitsplatz im Homeoffice zu erhalten (ArbG Siegburg, Urt. v. 18.08.2021 – 4 Ca 2301/20). Der Kläger war als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt und vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ärztlich befreit. Die Beklagte beschäftigte den Kläger daher nicht und lehnte auch eine Beschäftigung im Home-Office ab. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Könne der Kläger trotz Coronaschutzverordnung keine Maske tragen, sei er als arbeitsunfähig zu bewerten. Die Tätigkeit des Klägers sei auch nicht für Home-Office geeignet.

In einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Cottbus wurde über eine Kündigung entschieden, die wegen ärztlicher Befreiung von der Maskenpflicht ausgesprochen wurde (ArbG Cottbus, Urt. v. 17.06.2021 – 11 Ca 10390/20). Die Klägerin war bei einer logopädischen Praxis beschäftigt und ärztlich von der Maskenpflicht befreit. Da keine andere Beschäftigungsmöglichkeit bestand, kündigte die Beklagte. Zu Recht entschied das Gericht. Eine solche Kündigung ist selbst bei einer wirksamen Befreiung von der Massenpflicht bei fehlenden Beschäftigungsalternativen in der Regel sozial gerechtfertigt.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Gerichtsverhandlungen während Corona – § 128a ZPO als Alternative zur Präsenz im Gerichtssaal?

By Arbeitsrecht

Im zivilgerichtlichen bzw. arbeitsgerichtlichen Verfahren besteht der Grundsatz der mündlichen Verhandlung. Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen, etwa bei einer Entscheidung, wenn die beklagte Partei nicht erscheint; dem sogenannten Versäumnisurteil. Auch bei einer einstweiligen Verfügung, wo es ja schnell gehen muss, kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden; sogenannte Beschlussverfügung. Dies bietet sich vor allem da an, wo es weniger auf tatsächliche Umstände, als auf Rechtsfragen ankommt. Dort, wo man gerade auch Reaktionen von Zeugen oder Parteien auf gerichtliche Hinweise oder eigene Ausführungen hin unbedingt direkt wahrnehmen will, wird man um eine Präsenz vor Ort im Gerichtssaal nicht herumkommen.

Hierfür ebenfalls geeignet scheint eine Verfahrensnorm, die seit dem Jahr 2002 ein recht stiefmütterliches Dasein fristet, jetzt aber erheblich an Bedeutung gewinnen dürfte: § 128a Zivilprozessordnung (ZPO). Hiernach kann das Gericht mit den Beteiligten in Bild und Ton verhandeln, ohne dass diese im Sitzungssaal anwesend sein müssen. Kurz gesagt eine Verhandlung im Rahmen einer Videokonferenz.

Konkret heißt es dort:

§ 128a
Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung

(1) 1Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. 2Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.

(2) 1Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. 2Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. 3Ist Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen nach Absatz 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.

(3) 1Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet. 2Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar.

Vom Gesetzgeber ursprünglich zur Verringerung von Reiseaufwand gedacht, wurde dieses Jahr an verschiedenen deutschen Gerichten aufgrund der Corona-Pandemie von der Möglichkeit des § 128a ZPO verstärkt Gebrauch gemacht. Die Erfahrungen werden zeigen, ob diese Möglichkeit dort an seine Grenzen stößt, wo es auf die direkte Wahrnehmung im Gerichtssaal ankommt. Allerdings müssten die Gerichte auch erst einmal entsprechend ausgestattet sein bzw. werden.

Viele Fragen sind auch noch ungeklärt. Was wohl gesihcert ist ist, dass der Rechtsanwalt bei Verfahren mit Anwaltszwang auch die Robe tragen muss. Was aber passiert insbesondere dann, wenn es technische Probleme gibt? Wann ist in einer solchen Situation ein Versäumnisurteil zu erlassen? Wer darf sich wo – einer im Saal, einer auswärts per Video – aufhalten? usw.

Insgesamt wird man sagen können, dass vieles in der Entwicklung ist, aber Corona dieser Vorschrift wohl zu spätem Ruhm verhelfen könnte.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Coronaverstoß und Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis

By Arbeitsrecht

Aktuell gibt es unterschiedlich hohe Bußgelder, wenn gegen Anordnungen aufgrund der Corona-Krise verstoßen wird. Tatsächlich kann ein solcher Verstoß auch gemäß § 75 Infektionsschutzgesetzes strafrechtlich geahndet werden. Möglich ist dabei sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren bzw. sogar bis zu 5 Jahren, wenn durch einen Verstoß eine Weiterverbreitung der Krankheit erfolgt.

Das Bundesarbeitsgericht vertritt in seiner Rechtsprechung, dass bei Straftaten außerhalb des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber zunächst Wartezeiten überbrücken muss. Ist allerdings nicht in absehbarer Zeit mit einem Freigängerstatus oder einem Haftende zu rechnen, soll dies grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen (BAG, Urt. v. 24.03.2011 – 2 AZR 790/09). Als Richtschnur für eine Rechtfertigung der Kündigung gelte dabei eine Haftstrafe von mehr als 2 Jahren.

In dem Fall des BAG war ein Mechaniker zu 4 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, woraufhin er die Kündigung erhielt. Nachdem die Vorinstanzen unterschiedlich urteilten, entschied das BAG, dass die Kündigung bei einer solchen Haftdauer wirksam sei.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Corona, Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld

By Arbeitsrecht

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona – Krise zeigen sich schnell und deutlich. Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Maßnahmen sehen unter anderem eine Erleichterung bei dem Bezug von Kurzarbeitergeld vor. Die §§ 95 ff. SGB III regeln, unter welchen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld bezogen werden kann. Neben dem Saison -Kurzarbeitergeld, welches nur im Baugewerbe Anwendung findet, sieht das Gesetz auch Kurzarbeitergeld in außergewöhnlichen betrieblichen Situationen vor.

Voraussetzung ist zunächst, dass entweder der Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung die Einführung von Kurzarbeit vorsehen. Oder aber sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Kurzarbeit verständigen. Letztlich dient dieses Instrument auch dem Erhalt des Betriebes und damit des Arbeitsplatzes, so dass die Vereinbarung von Kurzarbeit auch im beiderseitigen Interesse liegen dürfte. Insoweit federt ja dann auch das Kurzarbeitergeld die fehlende Nettolohndifferenz ganz erheblich ab.

Ist Kurzarbeit vereinbart, wird Kurzarbeitergeld dann gewährt, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall aufgrund wirtschaftlicher Ursachen oder eines unabwendbaren Ereignisses besteht. So also auch jetzt aufgrund der Corona – Pandemie. Es ist auch unerheblich, wie groß der Betrieb ist oder in welcher Rechtsform dieser geführt wird, wenn mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt wird.

§ 95

Anspruch

1Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn

  1. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
  2. die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,
  3. die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
  4. der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.

Die Bundesregierung hat aktuell die Anforderungen an die Gewährung von Kurzarbeitergeld weiter gesenkt. Statt der bisherigen 30% der Belegschaft genügt es, wenn mindestens 10 % der Belegschaft aufgrund von Kurzarbeit weniger als 90% ihres Bruttogehalts erhalten. Von dieser Entgeltdifferenz erstattet die Bundesagentur für Arbeit 60 % oder, wenn ein Kind vorhanden ist, 67 % der Entgeltdifferenz.

§ 105

Höhe

Das Kurzarbeitergeld beträgt

  1. für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen würden, 67 Prozent,
  2. für die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 60 Prozent

der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum.

Die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld ist auf 12 Monate begrenzt und wird auf Antrag des Arbeitgebers von der Bundesagentur für Arbeit gewährt. Durch Verordnung kann diese Dauer bis auf 24 Monate verlängert werden.

Auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit finden sich weitere Informationen und Formulare.

https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-bei-entgeltausfall

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Corona und Arbeitsrecht – was ist zu beachten

By Arbeitsrecht

Aktuell dominiert das neuartige Corona-Virus bzw. Covid-19 die Schlagzeilen. Die Ausbreitung dieses Virus hat auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt.

Anspruch auf Arbeitsschutz?

Es gibt im Zusammenhang damit auch bereits ein erstes arbeitsgerichtliches Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin (ArbG Berlin, Az. 55 BVGa 2341/20). Der Betriebsrat hatte in dem Verfahren gegen ein Verbot des Arbeitgebers geklagt, bei der Arbeit in einem Duty Free Shop Mundschutz und Handschuhe zu tragen. Nachdem der Arbeitgeber dann schriftlich mitgeteilt hatte, dass er das Verbot aufhebt, hatte der Betriebsrat das Verfahren für erledigt erklärt, sodass das Gericht keine Entscheidung treffen musste.

Direktionsrecht und Homeoffice

Soweit bei dem Arbeitgeber kein Betriebsrat besteht, hat dieser grundsätzlich ein recht umfangreiches Direktionsrecht. Dies dürfte auch bei echten Verdachtsfällen eine einseitige bezahlte Freistellung für die Dauer der Inkubationszeit rechtfertigen, wenn es keine Möglichkeit gibt, die Arbeitsleistung einvernehmlich auch von Zuhause aus zu erbringen (Homeoffice).

Kind krank, Kita oder Schule schließt

Wird das Kind krank oder schließt die Kita/ Schule müssen Arbeitnehmer zunächst versuchen eine Ersatzbetreuung zu finden. Ist dies nicht möglich und bei einer Erkrankung das Kind unter 12 Jahre alt, besteht ein begrenzter Anspruch auf Freistellung.

Lohnfortzahlung?

Schließt hingegen die Schule, muss im Einzelfall geprüft werden, ob ein Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts gemäß § 616 BGB besteht. Wird hiernach der Arbeitnehmer für eine nicht erhebliche Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung ohne Verschulden gehindert, behält er dennoch seinen Lohnanspruch.

Bei einer eigenen Erkrankung gilt grundsätzlich weiterhin die Lohnfortzahlungspflicht für 6 Wochen. Allein eine Angst vor einer Ansteckung rechtfertig allerdings nicht das Fernbleiben von der Arbeit. Anders hingegen, wenn der Arbeitgeber eine Reise in ein Risikogebiet anordnet. Da wird man sicherlich eine Leistungsverweigerung rechtfertigen können.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael, LL.M.oec