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Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Arbeitsrecht – Naschen (nicht) erlaubt (ArbG Mannheim, Az.10 Ca 50/17)

By Arbeitsrecht

Immer dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betroffen ist, stellt sich die Frage, ob vor einer Kündigung noch eine Abmahnung auszusprechen ist oder dieses sensible Verhältnis derart gestört ist, dass eine sofortige Kündigung erfolgen darf. Schlagzeilen machte in diesem Zusammenhang der sogenannte Emmely-Fall. Dort wurde eine langjährige Kassiererin gekündigt, weil sie zwei liegengebliebene Pfandmarken im Wert von insgesamt 1,30 Euro gestohlen hatte. Das Bundesarbeitsgericht erklärte die Kündigung für unwirksam, da die Klägerin in den bisherigen 30 Jahren ohne Beanstandung gearbeitet hatte. Dies spreche derart für die Klägerin, dass die Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfallen musste (BAG, Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09).

In den Leitsätzen hierzu heisst es:

1. Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat.

2. Das Gesetz kennt auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe. Es bedarf stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung – zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

In einem aktuellen Prozess vor dem Arbeitsgericht Mannheim einigten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits darauf, dass aus der Kündigung eine Abmahnung wird. Die Kündigung war deswegen ausgesprochen worden, weil die Klägerin die Tafel Schokolade einer Kollegin gegessen und die Dienstwaschmaschine privat genutzt habe. Da für die Privatnutzung der Waschmaschine kein Verbot bestand und aufgrund der langen Beschäftigungszeit einigten sich die Parteien auf Vorschlag des Gerichts darauf, dass die Klägerin eine Abmahnung für den Verzehr der Schokolade akzeptiert und das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht (ArbG Mannheim, 10 Ca 50/17).

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Frühlingsgefühle im Arbeitsverhältnis (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13)

By Arbeitsrecht

Demnächst werden die Tage wieder länger und die Temperaturen steigen. Damit verbunden ist nicht selten eine verstärkte Flirtlaune. Wer dieser jedoch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nachgeht, riskiert schnell selbiges. Denn ein Arbeitgeber ist im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gehalten, seine Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts zu schützen. Teil des Persönlichkeitsrechts ist auch das Recht, frei von sexueller Belästigung zu bleiben. Dementsprechend droht in einem Fall einer solchen Belästigung eine fristlose Kündigung.

In einer jüngeren Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts stand im Streit, ob ein einmaliger Vorfall immer eine Kündigung rechtfertigt (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13). In dem Streitfall hatte der gekündigte Arbeitnehmer im Sozialraum einer Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens nach einer Bemerkung zu ihrem Busen diesen berührt. Gegenüber seinem Arbeitgeber gestand der Kläger im Personalgespräch den Vorfall ein und begründete ihn mit einem „Black out“. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen. Die Beklagte kündigte dennoch fristlos.

Das BAG erklärte die Kündigung für unwirksam. Grundsätzlich sei eine sexuelle Belästigung als Grund für eine fristlose Kündigung zwar geeignet. Allerdings sei im Einzelfall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt und ob das steuerbare Verhalten nicht durch eine Abmahnung ausreichend sanktioniert werden kann. So sah es das Gericht hier und entschied, dass statt der Kündigung als letztes Mittel eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael