In Wohnungseigentumsanlagen ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, vom gemeinschaftlichen Eigentum nur in der Weise Gebrauch zu machen, dass den anderen Wohnungseigentümern durch den Gebrauch kein Nachteil entsteht, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Abweichend hiervon können bauliche Veränderungen oder Aufwendungen beschlossen oder verlangt werden, wenn alle Wohnungseigentümer, welche hierdurch über das vorgenannte Maß hinausgehend benachteiligt werden, zustimmen. Eine Zustimmung ist allerdings dann entbehrlich, wenn die Rechte der betroffenen Wohnungseigentümer gerade nicht in der Weise beeinträchtigt werden, dass der Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums zu einem übergebührlichen Nachteil führt.
In einer aktuellen Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof (Urteil vom 13.1.2017 – V ZR 96/16) darüber zu entscheiden, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft den Einbau eines Personenaufzuges in den offenen Schacht des Treppenhauses dulden muss. Dies begehrte ein zum Zeitpunkt der Entscheidung 80-jähriger, dessen Wohnung im fünften Obergeschoss gelegen ist. In seiner Begründung führte der Kläger aus, dass er auf den Personenaufzug angewiesen sei, da er gemeinsam mit seiner Ehefrau seine schwerbehinderte Enkeltochter (GdB 100) zeitweise in seiner Wohnung betreuen würde. Obgleich der Kläger den Einbau sogar auf eigene Kosten vornehmen lassen wollte, lehnte die Wohnungseigentümergemeinschaft die Zustimmung zum Einbau des Personenaufzuges ab.
Der Kläger versuchte nunmehr den Einbau des Personenaufzuges gerichtlich durchzusetzen. Eine Duldungspflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft vermochte der Bundesgerichtshof allerdings nicht zu sehen. Er stellte vielmehr fest, dass eine Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht entbehrlich sei, weil ein Nachteil zu Lasten der übrigen Wohnungseigentümern bestünde, welcher über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus gehe. Maßgeblich für eine Beurteilung ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine Abwägung hinsichtlich der beiderseitigen grundrechtlich geschützten Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Abzuwägen seien hierbei das Grundrecht auf Eigentum und der grundrechtliche Schutz vor einer Benachteiligung aufgrund einer Behinderung.
Aufgrund der bei einem Einbau eines Personenaufzuges erforderlichen Eingriffe in die Substanz des Gemeinschaftseigentums, welche den im Treppenhaus zur Verfügung stehenden Platz ganz erheblich verengen, ist nach vorliegender Entscheidung ein erheblicher Nachteil für die betroffenen Wohnungseigentümer anzunehmen. Zudem sei bei lebensnaher Betrachtung bereits im Hinblick auf die bauordnungs- und brandschutzrechtlichen Vorgaben mit einem massiven konstruktiven Eingriff in den Baukörper zu rechnen. Der zu einem späteren Zeitpunkt etwaig erforderliche Rückbau sei des Weiteren lediglich mit umfangreichen baulichen Maßnahmen verbunden, durch welche mit neuen Risiken zu rechnen sei. Darüber hinaus könne die private Verkehrssicherungspflicht im Außenverhältnis zu Dritten zu Haftungsrisiken führen, welche auch die anderen betroffenen Wohnungseigentümer treffen würden.
Entscheidungserheblich war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch der Umstand, dass der Personenaufzug praktisch lediglich einzelnen bau- und zahlungswilligen Wohnungseigentümern zur Verfügung stehen sollte. Hierdurch würde ein Sondernutzungsrecht an einem Teil des Treppenhauses eingeräumt werden, wofür es allerdings einer Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer bedarf. Bei Stattgabe der Klage würde daher ein Teil der Wohnungseigentümer vom Gebrauch des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Treppenhauses zumindest teilweise ausgeschlossen. Tatsächlich, dies ist unstreitig geblieben, wird der Bereich, welcher sodann von dem Personenaufzug eingenommen würde, derzeit zum Abstellen von Fahrrädern und Kinderwagen genutzt und ist darüber hinaus notwendig, um sperrige Gegenstände durch das Treppenhaus zu transportieren.
Dass die Wohnung des Klägers nach den tatsächlichen Feststellungen schwer veräußerlich ist und für eine gehbehinderte Person lediglich mit einem Personenaufzug ohne weiteres zu erreichen ist, genügt aus Sicht des Bundesgerichtshofs zur Begründung der Klage nicht. Denn insoweit habe sich lediglich das Lebensrisiko des Klägers verwirklicht, welches er durch den Kauf der Wohnung und seinen Einzug selbst geschaffen hatte.
Auch wenn der Bundesgerichtshof einen Anspruch auf den Einbau eines Personenaufzuges in Wohngemeinschaftsanlagen im vorliegenden Fall verneint, stellt er dennoch fest, dass eine ordnungsgemäße Interessenabwägung regelmäßig ergeben müsse, dass die Anbringung eines Treppenlifts oder einer Rollstuhlrampe durch die übrigen Wohnungseigentümer zu dulden ist, wenn ein Wohnungseigentümer oder dessen Angehöriger unter einer erheblichen Gehbehinderung leidet.
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Grassel