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Arbeitsrecht – Benachteiligung bei Wochenarbeitszeit (BAG, Urt. v. 26.1.2017 – 8 AZR 736/15)

By Arbeitsrecht

Wer aus einem der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Gründen, etwa wegen einer Behinderung, benachteiligt wird, kann gemäß § 15 AGG eine Entschädigung verlangen. Wegen der Schwierigkeit, eine solche Benachteiligung zu beweisen, hat der Gesetzgeber in § 22 AGG bestimmt, dass es genügt, dass derjenige, der sich auf die Benachteiligung beruft, Indizien für die Benachteiligung beweist. Können diese Indizien bewiesen werden, trägt die andere Partei die volle Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung vorliegt.

In einem aktuellen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, wann ausreichend Indizien für eine Benachteiligung nach § 22 AGG vorliegen, wenn ein schwerbehinderter Kurierfahrer in Teilzeit nicht mit seinem Wunsch nach einer Erhöhung der Wochenstundenzahl berücksichtigt wird (BAG, Urt. v. 26.1.2017 – 8 AZR 736/15). Bei dem beklagten Arbeitgeber arbeiteten mehrere Kurierfahrer in Teilzeit. Im Jahr 2013 teilte der Arbeitgeber ein höheres Arbeitsvolumen auf die Kurierfahrer auf, berücksichtigte jedoch nicht den Kläger, der bereits mehrfach um eine Erhöhung der Wochenstundenzahl gebeten hatte. Der Kläger begehrte u.a. einen Schadensersatz nach § 15 AGG.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) sprach zumindest Schadensersatz zu. Das BAG hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das LAG zurück. Das BAG begründete dies damit, dass Indizien vorliegen müssten, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen dass die Schwerbehinderung ursächlich für die Benachteiligung war. Nur die Möglichkeit sei nicht ausreichend.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Betriebsratssitzung muss sein (BAG, Urt. v. 18.1.2017 – 7 AZR 224/15)

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Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) schreibt vor, wie die Arbeitszeit ausgestaltet werden kann und welche Ruhepausen es geben muss. Gemäß § 5 Abs.1 ArbZG muss ein Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben. Ungeklärt war bislang, wie sich diese Ruhezeit zu einer Teilnahme an einer Betriebsratssitzung verhält, während der das Betriebsratsmitglied gemäß § 37 Abs.2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) freizustellen ist.

Vor kurzem hatte das Bundesarbeitsgericht einen solchen Fall zu entscheiden, in welchem ein Betriebsratsmitglied seine eigentlich bis 6.00 Uhr dauernde Nachtschicht um 2.30 Uhr beendete, um die Ruhezeit von 11 Stunden bis zur Betriebsratssitzung um 13.00 Uhr am nächsten Tag einhalten zu können (BAG, Urt. v. 18.1.2017 – 7 AZR 224/15). Der Arbeitgeber kürzte das Arbeitszeitkonto um die Zeit, die der Arbeitnehmer nicht bis zum Schichtende gearbeitet hatte. Der Arbeitnehmer klagte auf Gutschrift der Arbeitszeit.

Das höchste deutsche Arbeitsgericht gab der Klage statt. Aufgrund der Berechtigung zur Teilnahme an Betriebsratssitzungen, sind Betriebsratsmitglieder ohne Minderung des Arbeitsentgelts von der Arbeitsleistung zu befreien, wenn die Betriebsratstätigkeit die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar macht. Dies sei vorliegend der Fall gewesen, da anderenfalls die Einhaltung der Erholungszeit von 11 Stunden nicht möglich gewesen wäre.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Entgeltfortzahlung bei Künstlicher Befruchtung (BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 167/16)

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Gemäß § 3 Abs.1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) hat der Arbeitnehmer bei einer unverschuldeten Krankheit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Arbeitgeber mit in der Regel weniger als 30 Angestellten erhalten von den Krankenkassen maximal 80 % dieser Lohnfortzahlung erstattet. Voraussetzung für die Entgeltfortzahlung ist allerdings zunächst, dass eine Krankheit vorliegt und diese unverschuldet eingetreten ist.

In einem aktuellen Fall hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Fehltage im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung, sogenannte „In-vitro-Fertilisation“, zum einen als Krankheitstage anzusehen sind, wenn der Grund für die Kinderlosigkeit beim anderen Lebenspartner liegt (BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 167/16). Zum anderen nahm das BAG dazu Stellung, wann bei einer künstlichen Befruchtung ein Verschulden vorliegt, wenn erst dieser ärztliche Eingriff zu einer Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit führe.

In dem Verfahren hatte ein Arbeitgeber auf Rückzahlung von Lohn geklagt, nachdem er erfahren hatte, dass die Fehlzeiten auf eine künstliche Befruchtung zurückzuführen waren. Im Streit standen verschiedene Fehlzeiten vor und nach der künstlichen Befruchtung. Zunächst stellte das BAG klar, dass dann keine Krankheit des Arbeitnehmers vorliege, wenn dieser zeugungsfähig sei und die Ursache des unerfüllten Kinderwunsches bei dessen Lebenspartner liege. Ein Kinderwunsch sei individuelle Lebensgestaltung und nicht ein allgemeines Krankheitsrisiko im Sinne des EFZG. Darüber hinaus sieht das BAG ein Verschulden nach § 3 EFZG dann nicht, wenn im Hinblick auf den Eingriff und deren Folgen nicht erkennbar war, dass damit eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung auftreten werde. Der Rechtsstreit ist zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Anrechnung von Anwesenheitsprämie auf Mindestlohn (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 22.11.2016 – 5 Sa 298/15)

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Zum 1.1.2017 gibt es unter anderem eine Änderung im Mindestlohngesetz (MiLoG). Danach steigt der gesetzliche Mindestlohn von EUR 8,50 brutto auf EUR 8,84 brutto je Zeitstunde. Das nächste Mal entscheidet sich im Jahr 2018, ob der Mindestlohn erneut angepasst wird.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob auf den „alten“ Mindestlohn von EUR 8,50/ h eine tarifvertragliche Anwesenheitsprämie angerechnet werden kann (LAG, Urt. v. 22.11.2016 – 5 Sa 298/15). Der in dem Urteil in Bezug genommene Tarifvertrag sah vor, dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Prämie von EUR 0,37 die Stunde allein für die Anwesenheit im Betrieb haben. Diese Anwesenheitsprämie sah der beklagte Arbeitgeber als Bestandteil des Mindestlohns an. Der klagende Arbeitnehmer sah die Anwesenheitsprämie als zusätzlichen Bestandteil zum Mindestlohn und klagte auf Zahlung der Lohndifferenz.

Das Arbeitsgericht Stralsund und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab und entschieden, dass die Prämie Bestandteil des Mindestlohns ist. Alles was echte Gegenleistung für die Arbeitsleistung ist, kann angerechnet werden; so auch eine Prämie für die Anwesenheit zur Erbringung der Arbeitsleistung. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Im letzten Jahr hatte das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, dass Weihnachts- und Urlaubsgeld durch eine monatliche Aufteilung angerechnet werden können, da diese Zahlungen eine Gegenleistung für eine erbrachte Arbeitsleistung darstellen (BAG, Urt. v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16).

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Pflicht zum Urlaubsantritt (BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 9 AZR 541/15 (A)

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Gemäß § 7 Abs.3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfallen Urlaubsansprüche, wenn sie nicht bis zum Ende des Urlaubsjahres genommen werden. Eine Übertragung bis zum Ende des folgenden Quartals ist gemäß dieser Vorschrift nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. War also zum Beispiel der Arbeitnehmer die letzten zwei Monate des Jahres 2016 erkrankt und hatte noch Urlaub oder wurde ihm ein beantragter Urlaub wegen eines großen Auftrags Ende 2016 nicht gewährt, kann dieser Urlaub noch bis spätestens 31.3.2017 genommen werden.

In einem aktuellen Fall vor dem Bundesarbeitsgericht hatte ein Arbeitnehmer geklagt, der bis zum 31.12.2013 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt war. Der Arbeitgeber hatte den Kläger Ende Oktober 2013 aufgefordert, seinen restlichen Urlaub vor Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der Kläger nahm lediglich 2 von 53 Urlaubstagen und verlangte für die nicht genommenen 51 Urlaubstage wegen des Endes seiner Beschäftigung Geld, die sogenannte Urlaubsabgeltung. Die Vorinstanzen gaben der Klage auf Urlaubsabgeltung statt.

Da auch auf europäischer Ebene vier Wochen Urlaub mindestens zu gewähren sind (Artikel 7 Abs.1 der europäischen Richtlinie 2003/88/EG), hat das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seinen Urlaub „aufzwingen muss“, wenn dieser nicht von sich aus im Urlaubsjahr seinen Urlaub beantragt (BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 9 AZR 541/15 (A).

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Weihnachtsgeld und Marzipantorte (ArbG Köln, Urt. v. 24.11.2016 – 11 Ca 3589/16)

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Kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlichte das Arbeitsgericht Köln eine Entscheidung mit einem zu den Festtagen passenden „süßen Hintergrund“. Gegenstand des Rechtsstreits war die Thematik „betriebliche Übung“. Etabliert der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum ein Handeln zu Gunsten der Arbeitnehmer, so kann sich hieraus ein echter Bestandteil des Arbeitsvertrages bilden. Juristisch wird ein solches Geschehen als „betriebliche Übung“ bezeichnet. Ist durch eine betriebliche Übung der gewährte Vorteil Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden, kann sich der Arbeitgeber hiervon nicht mehr einseitig lösen.

Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Köln waren die Klagen mehrerer Betriebsrentner eines Kölner Nahrungsmittelherstellers, welche von ihrem ehemaligen Arbeitgeber wie in den Vorjahren einer Marzipantorte und ein Weihnachtsgeld in Höhe von EUR 105,00 verlangten (ArbG Köln, Urt. v. 24.11.2016 – 11 Ca 3589/16).

Die Kläger stützen ihren Anspruch darauf, dass sie in den letzten Jahren diese Leistungen erhalten hätten. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Zum einen hätten nicht alle Betriebsrentner in der Vergangenheit Weihnachtsgeld und Torte erhalten. Zum anderen habe der Arbeitgeber jedes Jahr deutlich gemacht, dass die Leistungen immer nur im aktuellen Jahr gewährt werden, was einem Rechtsbindungswillen entgegensteht.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Mitbestimmung bei Facebookauftritt (BAG, Beschl. v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15)

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In Unternehmen, in denen ein Betriebsrat gewählt ist, bestehen für den Betriebsrat zahlreiche Mitbestimmungsrechte. Die zentrale Vorschrift hierfür ist § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Hiernach hat der Betriebsrat unter anderem gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 BetrVG dann mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber technische Einrichtungen in das Unternehmen einführen oder anwenden möchte, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Vor kurzem hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob der Facebook-Auftritt eines Arbeitgebers geeignet sein kann, um eine solche technische Einrichtung zu sein und daher der Betriebsrat entsprechend zu beteiligen ist (BAG, Beschl. v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15). Die in dem Verfahren beteiligte Arbeitgeberin – ein Blutspendedienst – hatte eine Facebook-Seite eingerichtet, auf denen Facebook-Nutzer auch Beiträge (Postings) veröffentlichen konnten. Nachdem sich auf der Facebook-Seite Nutzer auch zum Verhalten von Arbeitnehmern geäußert hatten, machte der Betriebsrat geltend, dass zum einen die Arbeitgeberin solche Äußerungen hinsichtlich der Beschäftigten auswerten könne. Zum anderen werde ein erheblicher Überwachungsdruck erzeugt.

Die Vorinstanzen waren sich uneins, ob der Betriebsrat zu beteiligen war. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Soweit Postings, die sich auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, unmittelbar veröffentlicht werden, führe dies zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs.1 Nr.6 BetrVG.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Schriftgutachten und Verdachtskündigung (LAG Hamm, Beschl. v. 30.08.2016 – 7 TaBV 45/16)

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Will der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied kündigen, so kann er dies bis auf wenige Ausnahmen nur außerordentlich gemäß § 103 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Demgemäß benötigt er zuvor die Zustimmung des Betriebsrates. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, dass dieses die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt.

Kürzlich hatte das Landesarbeitsgericht Hamm darüber zu entscheiden, wie stark der Verdacht sein muss, wenn der Arbeitgeber die Pflichtwidrigkeit einer Arbeitnehmerin zwar nicht nachweisen kann, hierfür jedoch starke Anhaltspunkte hat (LAG Hamm, Beschl. v. 30.08.2016 – 7 TaBV 45/16). Die Arbeiterwohlfahrt, die insgesamt 59 Seniorenzentren betreibt, beabsichtigte, sich durch außerordentliche Kündigung von der klagenden Arbeitnehmerin zu trennen. Anlass waren Trauerkarten mit der handschriftlichen Eintragung „für Dich (bist die nächste)“ die an drei aufeinanderfolgenden Tagen in das Postfach der Wohnbereichsleiterin eingelegt worden waren.

Die beklagte Arbeitgeberin ermittelte in verschiedene Richtungen und ließ auch ein Privatgutachten zur Handschrift anhand verschiedener Schriftproben anfertigen. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der handschriftliche Zusatz mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ von der Klägerin stammte. Über diesem Wahrscheinlichkeitsgrad hätte es nur noch mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ und „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ gegeben. Das LAG bestätigte die Vorinstanz und ersetzte die Zustimmung zur Kündigung nicht. Der beklagte Arbeitgeber hätte den Sachverhalt weiter aufklären und insbesondere die Klägerin ausreichend anhören müssen. Die Wahrscheinlichkeit des Schriftgutachtens genüge nicht für eine Verdachtskündigung.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Ablösung von Betriebsrenten (BAG, Urt. v. 15.11.2016 – 3 AZR 539/15)

By Arbeitsrecht

Hat sich der Arbeitgeber einmal dazu verpflichtet, Leistungen zu gewähren, ist er hieran grundsätzlich gebunden und kann dies nicht einseitig abändern. Anders hingegen verhält es sich dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf eine Änderung verständigen. Nutzt der Arbeitgeber dabei einseitige Vereinbarungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen sind, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die entsprechend streng überprüft werden. Diese AGB müssen klar und verständlich sein und dürfen den Arbeitnehmer nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob die Ablösung einer Betriebsrente durch ein marktübliches Versorgungssystem plus Wechselprämie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen (BAG, Urt. v. 15.11.2016 – 3 AZR 539/15). Hintergrund war eine vom Arbeitgeber getätigte Zusage, den Arbeitnehmern ähnlich einer Beamtenversorgung, eine Rente zu zahlen. Diese teure Versorgungszusage musste der Arbeitgeber wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ändern. Den Arbeitnehmern, die mit einem Wechsel in eine andere betriebliche Altersversorgung einverstanden waren, wurde auch eine erhebliche Wechselprämie gezahlt.

In dem vorliegenden Fall hatte der klagende Arbeitnehmer seine Einverständniserklärung angefochten und forderte eine Versorgung nach den alten Bestimmungen. Die Vorinstanzen und das BAG wiesen die Klage ab. Beide Vertragsparteien hatten sich wirksam auf eine Änderung verständigt. Weder war die Vertragsänderung unklar, noch unangemessen benachteiligend.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael

Arbeitsrecht – Unwirksame Tarifverträge im Baugewerbe (BAG, Beschl. v. 21.09.2016 – 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15)

By Arbeitsrecht

Im Arbeitsverhältnis bestimmen sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten vorwiegend nach dem individuellen Arbeitsvertrag. Ob auch ein Tarifvertrag ganz oder teilweise gelten soll, kann man im Arbeitsvertrag ebenfalls regeln. Ganz automatisch gilt ein Tarifvertrag dann, wenn Arbeitgeber Mitglied im Arbeitgeberverband und Arbeitnehmer in der Gewerkschaft sind, welche den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgelegt wird, dass ein Tarifvertrag unabhängig von Regelungen und Mitgliedschaften für alle gelten soll. In diesem Falle spricht man von einer „Allgemeinverbindlichkeit“ gemäß § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG).

Unlängst hat das Bundesarbeitsgericht allerdings für die Baubranche entschieden, dass die Erklärungen zur Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SOKA-Bau) aus den Jahren 2008, 2010 und 2014 unwirksam sind (BAG, Beschl. v. 21.09.2016 – 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15). Das Gericht sah weder die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung des § 5 TVG als gegeben an, noch hatte in den Jahren 2008 und 2010 der zuständige Minister den Tarifvertrag unterzeichnet.

Aufgrund dieser Entscheidung bestehen für die betroffenen Arbeitgeber gegenüber der SOKA womöglich erhebliche Rückforderungsansprüche. Nicht nur in Deutschland ansässige Firmen in der Baubranche, sondern auch Generalunternehmer und ausländische Unternehmer dürften betroffen sein.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael